Warum es sich lohnt, warten zu können

on 26. Januar 2016

Autor: Christina Buchner

Vor dem Haus stehen Frau Hartl und Frau Molbinger und reden miteinander. Die kleine Sara möchte ihrer Mutter etwas sagen und zupft sie an der Jacke „Du, Mama!“ Frau Molbinger unterbricht kurz das Gespräch und vertröstet Sara: „Jetzt nicht, Sara, du musst warten, bis wir fertig sind.“ Dann bespricht sie sich noch in Ruhe mit ihrer Nachbarin, während Sara ein Lied vor sich hin summt und auf den Steinplatten des Gehweges Hüpfen spielt. Frau Hartl kann sich nicht genug wundern: „Nein sowas. Wenn ich da an unseren Peppi denke! Der könnt niemals so lange warten! Ist halt ein Bub!“

Da täuscht sich die gute Frau Hartl allerdings. Ob Bub oder Mädchen, das ist bei der Fähigkeit des Wartenkönnens nachrangig. Es geht um mehr.

Zum ersten Mal hat sich Walter Mischel im Jahr 1970 in einem weltberühmten Experiment mit dieser Fähigkeit beschäftigt. Damals wurden Vierjährige im Kindergarten mit einem Dilemma konfrontiert. Sie konnten einen Keks sofort bekommen oder eine Viertelstunde warten und danach zwei Kekse bekommen. Die grundlegende Anordnung des Experiments wurde in vielen Variationen wiederholt und zuletzt von dem Tiroler Ökonomieprofessor Matthias Sutter in Kindergärten und Schulen mit Gummibärchen und anderen Belohnungen in einer groß angelegten Versuchsreihe noch einmal durchgeführt.

Nun kann man sich fragen: Ist es denn wichtig, ob Kinder eine Tüte Gummibärchen sofort oder zwei Tüten später essen? Was soll das denn bedeuten?

Walter Mischel und auch Matthias Sutter kamen zu den gleichen Ergebnissen:

Die Kinder, die mit 4, 6 oder 8 Jahren auf eine größere Belohnung warten konnten statt eine kleinere sofort zu nehmen, diese Kinder waren nach 10, 15, 20 Jahren, als Jugendliche und junge Erwachsene, wesentlich erfolgreicher als die Ungeduldigen: Sie hatten eine bessere Ausbildung, verdienten mehr, lebten gesünder, hatten weniger Schulden, weniger Figurprobleme und insgesamt ihr Leben besser im Griff.

Das ist eigentlich auch logisch: Wer immer alles gleich will und ein Vergnügen nicht auch einmal aufschieben kann, der wird natürlich langfristig im Leben weniger Erfolg haben.

Drum lohnt es sich, mit unseren Kinder das Auch-einmal-warten-Können zu trainieren.

Dabei sind wir bei den Kleinen besonders erfolgreich, wenn wir sie nach erfolgter Selbstbeherrschung fest loben. Ab dem Alter von 5 Jahren kommt zum Lob auch noch der Effekt der regelmäßigen Übung. Wenn Kinder dann in der Schule sind, ist alleine das Erledigen der Hausübung zu einem festen Zeitpunkt und vor dem Spiel eine gute Übung.

Und auch wenn man in einem Einzelfall nie genaue Vorhersagen treffen kann, sondern immer nur von Wahrscheinlichkeiten redet, so können wir uns doch denken, bei welchem der beiden Kinder – Peppi oder Sara – die Aussicht auf eine erfolgreiche Schullaufbahn größer ist. Was meinen Sie?

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Die Entdeckung der Geduld – Ausdauer schlägt Talent
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