Autor: Christina Buchner
Heute ist der letzte Schultag – es gibt Zeugnisse. Linus zählt zusammen: Religion, Sachunterricht, Werken, Sport, das macht 4 mal 10 Euro. Werken, Kunst, Englisch, das macht 3 mal 5 Euro und Deutsch, Mathe, Musik, das macht 3 mal 2 Euro, sind 61 Euro von Oma und von Papa und Mama nochmal dasselbe, 122 Euro. Mist! Das letzte Mal war’s mehr.
„Wieviel kriegst du denn?“ fragt Linus seinen Banknachbarn Manuel, der gerade seine Sachen einpackt. „Ich? Wieso? Was meinst du?“, fragt der ganz verwundert. „Na, fürs Zeugnis natürlich! Ich krieg für einen Einser 10 Euro, für einen Zweier fünf und für einen Dreier 2 Euro. Zeig mal her, was du hast: Mensch, das ist ja toll: Deutsch, Mathe, Englisch, Sachunterricht, Musik: lauter Einser und der Rest Zweier! Da kannst du abkassieren!“
Manuel klärt Linus auf: „Ich krieg doch nichts fürs Zeugnis! Meine Eltern machen mit uns Kindern immer einen Ausflug, wenn wieder ein Schuljahr vorbei ist und wir dürfen uns aussuchen, wo’s hingehen soll. Dieses Mal gehen wir in die Mammuthöhle am Dachstein. Das wird bestimmt toll!“
Da staunt Linus: „Das würd ich auch gern machen. Aber meine Eltern haben für sowas nie Zeit!“
Soll man nun Kinder für die Noten belohnen oder nicht? Bei dieser Frage scheiden sich die Geister. Die Psychologen Deci und Ryan von der Universität Rochester haben schon in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts ein Experiment durchgeführt, das Anlass gibt, über den Wert von Belohnungen nachzudenken. Sie gaben zwei Gruppen von Kindern Puzzles zum Spielen. Alle machten sich motiviert ans Werk. Einer Gruppe wurden dafür Belohnungen versprochen und dann auch gegeben. Diese Gruppe zeigte sich bei einem neuen Spielanlass weniger motiviert als die nichtbelohnte Gruppe, die einfach nur aus Freude am Spiel gepuzzelt hatte. Während die einen keine rechte Lust mehr hatten, machten die anderen sich wieder unverdrossen ans Werk.
Auch wenn dieses Experiment in der Fachwelt sehr kontrovers diskutiert wird und sein Ergebnis immer wieder kritisch hinterfragt wird, so sind sicher die Eltern gut beraten, die ihre Kinder für die erzielten Noten nicht materiell belohnen.
Kinder wollen und brauchen Liebe und Anerkennung und beides äußert sich nicht in „Bezahlung“, sondern in Zuwendung, Interesse und Anteilnahme. Wer sich für einen Dreier ausdauernd anstrengt, hat mehr Respekt verdient als ein Schüler, der einen Einser einfach so – ohne die geringste Mühe – schnell mal „hinfetzt“. Kinder, die schon in der Grundschule gelernt haben, ausdauernd zu arbeiten, haben die besseren Zukunftsaussichten, denn gerade die erfolgsverwöhnten „Mühelos-Leister“ der Grundschule kommen später am Gymnasium oft gewaltig ins Schleudern, wenn sie sich plötzlich anstrengen müssten und das nie gelernt haben.
Wer also auf langfristigen Erfolg für seine Kinder setzt, wird nicht für Ergebnisse bezahlen, sondern Arbeit und Anstrengung seiner Kinder wertschätzen.
Das erfordert allerdings mehr als nur das Zücken des Geldbeutels.
Eine gemeinsame Unternehmung, am besten irgendetwas mit „Abenteuertouch“ in der Natur, fördert die Gemeinsamkeit und zeigt dem Kind: Mama und Papa interessieren sich für mich. Das stärkt das Selbstwertgefühl und macht unsere Kinder fit für die Zukunft.